close

Das Besondere im Normalen

einhorn 2
Foto © Sonya Schönberger, Filmstill Installation "sich sicher sein"

„Als Vertreter der Generation, die alles von etwas weiß, habe ich auch eine Verantwortung für die junge Besuchergeneration, die von allem etwas weiß“, betonte Paul Spies. Daher sei es eine Selbstverständlichkeit, die digitalen Medien in eine Ausstellung einzubeziehen, neue zukunftweisende Formate zu entwickeln.

Auf den neuen Direktor des Stadtmuseums Berlin richten sich hohe Erwartungen. Ein Spagat muss es werden, ein Spagat zwischen neuen heterogenen Besuchergruppen und einem treuen bildungsbürgerlichen Publikum, das historische Ausstellungen im klassischen Sinne erwartet.

Angesichts des bevorstehenden Umzugs ins Humboldt Forum sei es besonders wichtig, sich zu positionieren, so Spies weiter. Der Niederländer hatte bereits das Stadtmuseum Amsterdam klar positioniert und zu einem Publikumsmagneten entwickelt. Wenn im wiederaufgebauten Stadtschloss die Welt zusammentreffe, sollte auch die Stadt Berlin angemessen vertreten sein. So wird es ab Sommer 2017 in der Humboldt-Box eine Kooperation mit dem Stadtmuseum konzipierte Präsentation zum Thema „Kindheit“ geben.

Doch wer erzählt die Geschichte Berlins? Diese Frage diskutierte Spies am Dienstag, den 14. Februar mit der Künstlerin Sonya Schönberger sowie dem Ausstellungsmacher Joachim Baur, der derzeit ein Museum in Friedland gestaltet. In die Diskussion konnte sich auch das Publikum jederzeit einbringen– und tat dies auch mit zahlreichen Ideen und Einwänden.

„Für das Humboldtforum müssen wir üben“, erklärte Spies freimütig. Es scheint überhaupt eine Gabe von Spies zu sein, seine Arbeit zur Disposition zu stellen, andere Meinungen stehen zu lassen, aus Experimenten zu lernen und diese Experimente überhaupt zu wagen.

Dass Partizipation für ihn nicht nur ein Schlagwort ist, wird auch u.a. in der Videoinstallation „sich sicher sein“ der von ihm eingeladenen Künstlerin Sony Schönberger deutlich. Sie interviewte dafür 16 Berlinerinnen und Berliner unterschiedlichen Alters und diverser Herkünfte zu den Brüchen in ihrer Kindheit. Die Befragten berichten dabei, was ihnen in schier aussichtloser Situation Schutz geboten hatte. Schönberger filmte dabei auch Haltung und Körpersprache, was die Aussagen teilweise eindrucksvoll unterstreicht. Zu den Stilmitteln Schönebergs, die in ihrer Arbeit zwischen Kunst und darstellender Kunst changiert und ansonsten meistens mit Schauspielern arbeitet, gehört es, sich Zeit zu nehmen. Viel Zeit, in der Vertrauen entsteht und hervortreten kann, was Spies „das Besondere im Normalen“ nennt.

Doch gerade diese Entschleunigung ist es, über die sich die Geister schieden. Nach der Ausstellung „Schloss.Stadt.Berlin“ im oberen Stockwerk angelangt, waren manchen Besuchern schlichtweg Geduld und Energie für die Videovorführung verloren gegangen. Einige Besucher, die sich darauf gefreut hatten, einen ihrer Bekannten im Video zu sehen, gaben frühzeitig auf. Optionen, die Abfolge interaktiv zu bestimmen oder eine Auswahl zu treffen, gab es nicht. Andere Besucher dagegen – vor allem aus der nicht mehr ganz so jungen „Guttenberg-Generation“ –  würdigten gerade die Ausführlichkeit, mit der die befragten Berliner aus ihrem Leben berichteten.

Und der partizipatorische Gedanke setzt sich noch fort: Im Hinblick auf die Präsentation in der Humboldt Box sind alle Berliner eingeladen, online an dem Projekt zu partizipieren und die Erinnerung daran zu teilen, was ihnen als Kind Schutz und Sicherheit gegeben hat.

Tags : Humboldt BoxHumboldt-ForumJoachim BaurKindheitPaul SpiesSonya SchönbergerStadt Museum Berlin