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206 Gefäße für eine Idee … Uli Aigner bittet die Welt zu Tisch

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Michal Kosakowski, ONE MILLION

„Nur eine Idee hat die Kraft, sich so weit zu verbreiten.“ Mies van der Rohe hätte sicher seine Freude daran gehabt, wie Uli Aigner der Welt zeigte, dass der Geist des Bauhauses lebt. Sprichwörtlich der ganzen Welt.

Anlässlich des „100 jahre bauhaus festivals“ schuf die Wiener Künstlerin zweihundertsechs Porzellan-Unikate, von denen jedes ein Land repräsentiert. So waren es dann auch zweihundertsechs Menschen aus aller Welt, die sich am 24. Januar in der Berliner Akademie der Künste am Hanseatenweg zu einem gemeinsamen Mahl trafen. Eine wahre Weltpremiere, zu der sich – ganz im Sinn der Bauhaus-Philosophie – jeder Kunstinteressierte anmelden konnte.

Für ihre Weltkollektion hatte sich Uli Aigner vom Formengut der Bauhaus-Gestalter inspirieren lassen. Unverkennbar sind zum Beispiel die Anleihen bei Oskar Schlemmers Triadischem Ballett. Was die Produktion von Alltagsgegenständen betrifft, entspricht Aigner dem Bauhausverständnis, das die Grenzen zwischen Gebrauchskunst und L’art pour l’art aufhebt. Wohl jeder kennt die Geschirrserien, die Walter Gropius für Philip Rosenthal oder die Wilhelm Wagenfeld für WMF entworfen haben – beides moderne Klassiker.

Auf hundertsechs Metern zog sich Uli Aigners Tafel im Zickzack durch den Raum. Die daran Platz nehmenden Nationen hatte die Künstlerin nach ihrer englischen Bezeichnung in alphabetischer Reihenfolge angeordnet. Gerade dieses Ordnungsprinzip brachte eine bunte, Nationen vereinende Sitzordnung hervor. So fand sich etwa Äthiopien neben dem einst verfeindeten Eritrea wieder. Erstaunlich hoch war unter den angemeldeten Teilnehmern die Vielfalt an Nationalitäten – immerhin 72  kamen zusammen. 134 Ländern wurden Repräsentanten zugeordnet.

Allein schon über das Setting kamen die Ländervertreter leicht miteinander ins Gespräch. Während sich etwa die Vertreterin Äthiopiens als waschechte Rheinländerin entpuppte, war die Vertreterin Dänemarks tatsächlich Dänin.

Koch des Abends war Carsten Rosener mit einem raffinierten Linsensalat mit Wasabinüssen, den er gemeinsam mit Uli Aigner und Helfern auf die Porzellan-Unikate verteilte. Und wie bei jeder guten Tischgemeinschaft begannen alle 206 Gäste erst mit dem Essen, als auch die letzte Nation versorgt war.

Uli Aigner strahlt eine tiefe Zufriedenheit aus: „Mir scheint, ein neuer Level ist erreicht“. Bis zu ihrem Lebensende möchte die Wiener Künstlerin eine Million Gefäße fertigen, wobei die Zahl einen eher symbolhaften Charakter hat. Ziel dieses „One Million“-Projekts ist es jedenfalls, möglichst viele Menschen verschiedener kultureller und sozialer Hintergründe global zu vernetzen. Sei es der chinesische Botschafter in Berlin oder die Bewohnerinnen eines Frauenhauses in Florida – sie alle sind durch den Besitz eines Porzellangefäßes von Uli Aigner miteinander verknüpft.

Jedes der durchnummerierten und mit der entsprechenden Zahl versehenen Gefäße des One Million-Projektes wird von der Künstlerin und ihrem Mann, dem Filmemacher Michal Kosakowski, registriert, fotografiert und der aktuelle Standort zwecks Geo-Tracking auf einer digitalen Weltkarte vermerkt. Kosakowski war es auch, der das Weltevent mit der Kamera dokumentierte.

Bereits während des Mahls konnten die Gäste auf einer Wandprojektion verfolgen, wohin die Gefäße anschließend reisen würden. Jeder Teilnehmer des Mahls hatte den vorgesehenen Standort seines Geschirrs zuvor angeben. Voller Spannung beobachteten die Speisenden live, wie das Fadennetz einer stetigen wachsenden Community sich ausbreitet und immer dichter spann. Jedes Mal, wenn einer der Besitzer sein Porzellanobjekt von Uli Aigner weitergibt oder verschenkt, so gibt er den neuen Standort an – und auf der Netzwerkkarte wird eine weitere Verbindung sichtbar.

„Jedes Porzellangefäß hinterlässt Spuren in der Welt“, erklärt Uli Aigner. One Million ist eben auch eine soziale Skulptur. Doch Aigners Kunstbegriff geht weiter: Die Mutter von vier Kindern versteht auch ihren eignen Lebensentwurf, in dem Produktion, Privatleben und Welt eine Einheit bilden, als Gesamtkunstwerk.

„Menschen aus aller Welt, die miteinander essen und reden. Es kann so einfach sein.“. Immer wieder sei sie frappiert, wie One Million an Eigendynamik zulege. Ständig geschehe etwas, „das das Vorausgegangene noch toppt“.  Inzwischen kommen die Anfragen auch von international renommierten Museen. So findet im April 2019 zum Beispiel eine Ausstellung im Belvedere in Wien statt, ein Weltessen im National Museum in Bishkek, Kirgistan, ist in Planung ebenso wie weitere Großprojekte.

Am Anfang des „Riesenkommunikationsdings“ stand ihre Idee. Eine handfeste Idee, die ganz offensichtlich die Kraft hat, sich über Grenzen jeder Art hinweg zu verbreiten. Und so durfte jeder Gast des Berliner Weltessens das Gefäß der ihm zugeordneten Nation als Geschenk nach Hause tragen – und die Idee in die Welt verbreiten.

Lesen Sie auch: Die gesamte Welt ist das Milieu“ – ein Porträt der Künstlerin Uli Aigner

Und hier geht’s zur Website von One Million

Tags : Akademie der KünsteBauhausEine MillionMichal KosakowskiMies van der RoheONE MILLIONUli Aigner