Alya Sebti ist die neue Leiterin der ifa Galerie Berlin. Die 1983 geborene Marokkanerin war u.a. künstlerische Leiterin der 5. Marrakesch Biennale (2011-14), Kuratorin der Ausstellungen „Carrefour/Treffpunkt“ in den ifa-Galerien Stuttgart und Berlin sowie „Casablanca, energie noire“ in Mons. Yeast traf Alya Sebti zu einem Gespräch.
Yeast: Sie sind zwar noch keine 100 Tag im Amt, aber dennoch schon einmal die Frage: Hatten Sie einen guten Start?
Alya Sebti: Ja, danke. Mir geht es hier großartig. Vor allem bin ich sehr glücklich über das Programm von Radio KUNCI, das gestartet ist, kurz nachdem ich am 1. April meine Stelle angetreten bin. „Politics of Sharing“ beschreibt ja neue Ausstellungsformate, wie wir zum Beispiel eine Ausstellung ohne Kunstwerke realisieren, wie wir Wissen teilen und lebendige Archive schaffen können – das alles ist sehr lehrreich. Somit war es ein wunderbarer Start für mich.
Yeast: Obwohl Sie in die Planung noch gar nicht involviert waren?
Alya Sebti: Ja, das war „a nice accident“. Ein Projekt, das meinen Vorstellungen von Kunstvermittlung sehr entspricht. Ich habe viel gelernt im Gespräch mit Syafiatudina vom KUNCI Cultural Studies Center und ihren Gästen und bin fasziniert von dem indonesischen Konzept des Numpang, das heißt des flexiblen Teilens von Raum und der Interaktion zwischen Menschen.
Yeast: Was bedeutet für Sie persönlich Numpang? Kommen Sie nicht selber aus einer Kultur, in der dem Teilen eine große Rolle zugesprochen wird?
Alya Sebti: Ja, aber es gibt doch einen Unterschied. In Marokko etwa ist mit dem Teilen ein geplanter Akt der Gastfreundschaft verbunden, es ist eine Inszenierung. Numpang hingegen ist ein ständiges beidseitiges unaufgeregtes Neuverhandeln. Numpang lehrt uns, dass Teilen kein Opfer ist. Numpang sollte zukünftig zum festen Bestandteil der DNA der ifa-Galerie werden.
Sie sprechen sechs Sprachen und haben in Marrakesch, Paris und Rom gelebt, bevor sie vor drei Jahren nach Berlin gezogen sind. Welche Bedeutung haben Worte wie international, transnational oder global für Sie?
Alya Sebti: Diese Label spielen für mich keine Rolle. Meine Realität ist international. Wir sind international. Wir leben international. Jede Lokalität ist im Grunde immer eine Durchmischung von ganz vielen Einflüssen, es gibt diese Grenzen nicht für mich. Stattdessen vernehme ich eine große Porosität und bin interessiert an den Grautönen. Grenzen definieren mich nicht – meine Realität ist geprägt von dem Mix verschiedener Kulturen, die miteinander verschmolzen sind.
Yeast: Sie haben in kürzester Zeit hervorragend Deutsch gelernt.
Alya Sebti: Danke (lacht), aber ich bin überhaupt noch nicht zufrieden. Für mich ist die Sprache Kultur, das Minimum in eine Kultur einzutreten, ist die Sprache zu lernen. Und daher möchte ich noch viel mehr über die deutsche Kultur erfahren. Was Sprachen betrifft, bin ich wie ein Schwamm und sauge sie auf.
Yeast: Das ifa wird zu 90% vom Auswärtigen Amt finanziert. Sind Sie dennoch unabhängig in Ihrem Programm?
Alya Sebti: Das Auswärtige Amt ist in unserem Beratungsausschuss vertreten, das ifa und das AA beschließen zusammen Zielvereinbarungen und wir bedenken auch die Schwerpunkte Auswärtiger Kultur- und Bildungspolitik; im Prinzip entscheiden wir jedoch autonom über die Programme und Inhalte. Diese relativ große Unabhängigkeit in der Programmgestaltung ist bei den staatlich unterstützten Kulturinstituten in anderen europäischen Ländern durchaus keine Selbstverständlichkeit.
Yeast: Schon in den 90er-Jahren hat die deutsche Kulturpolitik sich für die kulturelle „Zweibahnstraße“, also den gleichberechtigten Dialog mit der nichtwestlichen Welt, entschieden. Ist dieses Konzept aufgegangen?
Alya Sebti: Ich kann nur von der Jetzt-Zeit reden. Bei dem Projekt Carrefour etwa, meiner ersten Ausstellung, die ich 2015 anlässlich der Marrakesch-Biennale in der ifa-Galerie kuratiert hatte, gab es keinerlei Hierarchien, es war wirklich ein inhaltlicher, geografischer und interdisziplinärer Austausch. Und so ist auch die Kooperation mit Radio KUNCI ein gegenseitiges voneinander lernen.
Yeast: Was sind Ihre Pläne für das ifa?
Alya Sebti: Generell wünsche ich mir, dass das ifa ein neues Publikum erreicht, seinen Zugang erweitert, auch jenseits der Galerieräume. Was das Programm für 2017 betrifft, so starten wir im Januar mit der Ausstellung „In the Carpet“, die wir von der ifa Galerie Stuttgart übernehmen und die ich gemeinsam mit Salma Lahlou und Mouna Mekouar kuratiert habe.
Darüber hinaus bereiten wir ein Programm zur postkolonialen Geschichte vor, wobei wir neue, auch interdisziplinäre Allianzen in Berlin und darüber hinaus suchen. Für die Zukunft hoffe ich, dass die bipolare hierarchische Trennung zwischen dem Norden und den Süden schwinden wird und wir stattdessen die Idee multipler Perspektiven wertschätzen können.
Anstatt mich auf ein Programm konventioneller Kunstausstellungen zu fokussieren, bin ich äußerst interessiert an dem Moment, wenn künstlerische und nicht-künstlerische Ausdrucksformen aufeinander treffen. Einen solchen Dialog möchten wir in der ifa-Galerie fördern.
Yeast: Eine junge Nicht-Europäerin als Leiterin einer wichtigen Berliner Institution wäre vor nicht allzu langer Zeit undenkbar gewesen. Sehen Sie sich als Vorreiterin?
Alya Sebti: Es wäre schön, einen Weg weiterzugehen, den etwa die Theaterintendantin Shermin Langhoff vorbereitet hat.