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AbdouMaliq Simone und die Städte des Südens

Simone
Fotos: Victoria Tomaschko

„Ich brauche jetzt mal eine Pause vom Numpang“, lacht Syafinatudina. Nach immerhin vier intensiven Wochen ein verständlicher Wunsch der Moderatorin von Radio KUNCI.

Von Mitte April an hatten sie und das interdisziplinäre Kollektiv KUNCI Cultural Studies Centre mit internationalen Gästen und dem berliner Publikum diskutiert, was genau unter Numpang zu verstehen sei, was davon übertragbar ist und welche Einsichten daraus folgen. Der schwer übersetzbare Begriff bezeichnet eine indonesische Praxis des Teilens von Raum, Ort und Zeit.

So ging es auch in der letzten KUNCI-Sendung aus den Räumen der ifa-Galerie Berlin um „Numpang als Politik des geteilten Raums“. Zu Gast: Der Urbanist AbdouMaliq Simone, dessen Schwerpunkt die „alternativen Modernen“ des „Globalen Südens“ sind. Simone forscht u. a. am Max-Planck-Institut zum Thema multireligiöse und multiethnische Gesellschaften, ist Gastprofessor für Soziologie am Goldsmiths College der Universität London, dem African Center for Cities der Universität Kapstadt sowie wissenschaftlicher Mitarbeiter des Rujak Center for Urban Studies und der Universität Tarumanagara in Jakarta. Redner

Simones Studienprojekte zu den “New Urban Worlds” widmen sich den Strategien und Lösungen, mit denen Menschen in Metropolen wie Lagos, Jakarta, Johannesburg oder Delhi die Herausforderungen ihres Alltagslebens bewältigen. Ziel ist es, daraus Maßstäbe für eine neue Sozial- und Kommunalpolitik sowie für das Management und die Entwicklung der wachsenden urbanen Ballungsräume zu formulieren.

„Wir brauchen dringend einen neuen Zugang darüber, was eine Stadt ausmacht“, forderte er. „Angesichts einer Kolonialisierung des öffentlichen Raums müssen wir uns gleichermaßen um die Stadträume wie um die Menschen kümmern“. Bislang gebe es noch keinerlei Sprache, um die zukünftigen Entwicklungen auch nur annähernd zu beschreiben.

In Zeiten von Wohnungsknappheit, Wirtschaftskrisen und maroden Wohlfahrtsystemen hätten die Bewohner der Mega-Citys bereits eine lange Tradition darin, eigene Infrastrukturen auszubilden. Und selbst wenn der Staat Geld und Land böte, bliebe die Situation immens kompliziert: „Wer hat die Rechte? Wer definiert diese Rechte, Möglichkeiten, Vorteile?“ Wie könne der Mensch seine Position im Verhältnis zu den anderen finden. Schließlich habe er keinen Status: „Ein Vertrag stabilisiert uns nicht und wir stabilisieren keinen Vertrag“. In Pinwandeiner praktisch fluiden, kaum „definierten“ Umgebung kommt einem gesellschaftlichen, kulturell verankerten Konsens über das Teilen und gemeinschaftliche Nutzen der Ressourcen eine besondere Bedeutung zu.

Die Weltbank hingegen versuche krampfhaft zu klären, wem das urbane Land gehört, betonte Simone. Zum einen würde der Begriff der Sharing Economy bemüht, zum anderen den Verträgen zunehmend mehr Bedeutung beigemessen. „Ich finde das ziemlich ironisch“, urteilte der Urbanist. Viel wichtiger sei es, relevantes Wissen zu teilen, so etwa, woher sauberes Wasser komme.

Einen Königsweg für die Zukunft der Metropolen gibt es laut Simone nicht. Stattdessen sei wohl eine gesunde Balance zwischen der formaljuristischen Klärung der Eigentumsverhältnisse und der lebenspraktischen, öffentlichen Nutzung von Räumen und Infrastrukturen notwendig. Ein situatives flexibles Anpassen und Aushandeln – eben Numpang.

Publikum„Auch die Institutionen sollten lernen, sich immer neu zu öffnen“, betonte Elke aus dem Moore, Abteilungsleiterin Kunst des ifa, in der Abschlussrunde. Immerhin sei das vierwöchige Numpang-Experiment mit Radio KUNCI in Berlin bei einem breiten – auch institutionellen Publikum – auf offene Ohren gestoßen, habe viele Denkanstöße auch für den hiesigen Kontext vermittelt. Nicht zuletzt sei es die Kunst, die es vermag, die mögliche Zukunft vorstellbar zu machen und zu vergegenwärtigen. Welche Möglichkeiten könnte mehr Numpang also auch einer durchstrukturierten Gesellschaft bieten, die womöglich bewegten Zeiten entgegen geht?

Heißt es also, wenn Radio KUNCI offline geht: Bye-bye Numpang? Es sieht ganz und gar nicht danach aus …

Tags : AbdoulMaliq SimoneElke aus dem Mooreifa-Galerie BerlinRadio KunciSyafiatudina