„Museen sind immer die Frage nach dem Wir“ so formulierte in Anlehnung an Gottfried Benn Kulturstaatsministerin Monika Grütters die Überschrift für ihre Statements zur Zukunft der Museen und definierte weiter den gesellschaftlichen Auftrag von Museen damit, nicht nur Identität abzubilden, sondern sie auch mit zu formen. Stellvertreter für diesen musealen Auftrag in all seinen Facetten wird, was sonst, der Hoffnungsträger für das Museum des 21. Jahrhunderts schlechthin, das Humboldt-Forum sein. In die Akademie der Künste am Pariser Platz hatte Präsidentin Jeanine Meerapfel die Kulturstaatsministerin zusammen mit Stefan Kraus, dem Direktor des Kolumba Kunstmuseums des Erzbistums Köln, zum zweiten Akademie-Dialog geladen – ein persönliches und doch öffentliches Gesprächsformat, das seit diesem Jahr in der Akademie stattfindet. Thema des Gesprächs: Zur Zukunft der Museen.
In entspannter Atmosphäre mit gut gelauntem Podium und vollem Saal wurde folglich viel gesprochen und wenig diskutiert. Allerdings waren die Themen unter dieser angesetzten Pauschalüberschrift schon zu vielfältig, als dass sie Chancen auf komplexeren Austausch gehabt hätten. Stefan Kraus bemerkte zudem treffend vorweg, dass für Museen in ihrer Breite an Formaten an sich keine Rundum-Lösungen möglich seien und jedes Museum mit seinen vielfältigen Faktoren individuell betrachtet gehöre.
So ergab sich ein breites Spektrum an gedanklichen Stippvisiten zum erwähnten Auftrag der Museen, über Provenienzforschung und koloniale Vergangenheit zu Vermittlung, Digitalisierung, Eintrittsgeldern, Sammlern sowie Humboldt-Forum und Exil-Museum.
Die Museumslandschaft in Deutschland ist mannigfaltig: Monika Grütters nannte hierzu 6700 Museen mit 114,5 Millionen Besucher. Das sei weit mehr als die Bundesliga-Spiele haben. In ihrer Häufigkeit rangierten Historische Museen auf Platz 1, gefolgt von Kunstmuseen und den Technischen Museen. Zudem lockten Museen mit „ihrem hemmungslosen Angebot an jeden“ das vielfältigste Publikum an. Soweit die Fakten.
Stefan Krauss erinnerte an Vorreiterdiskussionen, in denen das „Museum neu denken“ im 20. Jahrhundert immer wieder initiiert wurde, wie etwa schon früh mit dem Museum of Modern Art in New York, dem Centre Pompidou, das erst viel später ein Museum wurde, oder den jüngeren Diskussionen der 1990er Jahre in Deutschland, in denen insbesondere die Öffnung der Museen Thema war. Unbekannte Größe und damit nicht vorhersehbar bei diesem Neudenken bliebe immer die Zukunft der Kunst selbst und die dazugehörige ästhetische Bildung. Zukunft impliziere und beträfe vor allem die kommende Generation. So sollten Kinder laut Kraus früh an Kunst herangeführt werden. Dem entgegen stehe aber die bestehende und sich verschärfende Hierarchisierung bereits in der Schule, denn musische Fächer sind keinesfalls gleichwertig zu MINT-Fächern. Wo setzt also die Vermittlung an, wenn dieser Bildungsauftrag nicht von der allgemeinen Bildung unterstützt wird? Der des öfteren an diesem Abend als Idealist betitelte Museumsleiter sieht das Museum als selbstverständlichen Ort für Kinder und Jugendliche, wo beispielsweise Kinder auch über die Hängung der Werke mit entscheiden können.
Ein hoher Anspruch, den Kraus mit der Besonderheit des Kolumba Kunstmuseums geprägt hat und sich leisten kann. Hier herrscht das Motto, mit der Kunst ästhetisch zu verfahren, um sie zu erleben. In dieser Konsequenz gibt es z.B. keine Beschilderungen und Wandtexte, sondern ein Beiheft zur jeweiligen Ausstellung für die Besucher.
Auch für Monika Grütters ist die Vermittlung wie die kulturelle Bildung das A und O für die Zukunft der Museen. Und sie betonte nicht nur einmal, dass viel mehr Vermittlungsstellen geschaffen werden sollten. Der Umgang mit dem kulturellem Gedächtnis sei ohne Vermittlung kaum möglich, da Bilder und Objekte von Jüngeren nicht mehr gelesen werden könnten. Weiterhin wären andere Vermittlungskompetenzen gefragt, die der ethnischen Durchmischung der Gesellschaft entsprächen. Ihr Vorschlag für das Dilemma in den Schulen, zu wenig Personal, Geld oder Zeit für Museumsbesuche zu haben, ist die Einführung eines Museumstags. Einmal im Jahr sollten so Schulen und Ausbildungsstätten bindend in die Museen gehen können. Vielleicht ein Anfang für eine flächendeckende kulturelle Bildung.
Zum Thema freier Eintritt in Museen stellte die Kulturministerin klar, dass Eintrittsgelder eine nicht zu vernachlässigende finanzielle Größe im laufenden Museumsbetrieb gerade für Museen anderer Träger als den Bund ausmachten. Der Bund könne hier auch kein „Reparaturbetrieb für das Manko der Länder“ sein. Zudem kämen erwiesenermaßen Kulturferne auch nicht bei freiem Eintritt in die Museen. Hier müssten also andere Vermittlungsprogramme die Leute „abholen“. Der freie Eintritt für das vom Bund finanzierte Humboldt-Forum sei hingegen weiter im Gespräch. Das Humboldt-Forum spiele allerdings auch das Exempel für ein Ideal, nicht vordergründig Museum, sondern ein Aufenthaltsort für Weltbürger zu werden. Eine Art von Begegnungsort wäre auch eine Idee für das gewünschte Exil-Museum, das nicht rein museal verstanden, sondern das Thema ins Heute bringen sollte.
Wie dies alles geschehen könnte blieb offen. Stefan Kraus stellte die wichtige Frage, nämlich womit denn Museen relevant würden. Einigkeit für zumindest die nahe Zukunft bestand darin, dass die Interdisziplinarität für Museen wichtig ist und die Herausforderung der digitalen Welt angenommen werden muss.
Das klingt zumindest gut. Bleibt zu hoffen, dass hier wirklich Räume für neue, ästhetisch bildende Ideen, die über die bloße Digitalisierung von Sammlungen hinausgehen, geschaffen werden.