Am Wurzelwerk der Selfmade City


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Derzeit gibt es etwa 500 Gemeinschaftsgärten in Deutschland, alleine 100 davon in Berlin, Tendenz steigend. Interkulturelle Gärten ebenso wie Community Gardens oder City Farms, Nachbarschaftsgärten oder Guerilla Gardening haben alle eines gemeinsam: Vor zumeist grauen City-Skylines wachsen hier Tomaten, Salat und Radieschen. Viele Städter entwickeln durch die Gärtnerei ein neues Verhältnis zur Natur, zu ihren Mitgärtnern sowie zu den Lebensmitteln.

Das Filmteam des Gemeinschaftsgartens NeuLand, ©Gesa Maschkowski, aid
Das Filmteam des Gemeinschaftsgartens NeuLand, ©Gesa Maschkowski, aid

„Essbare Stadt: Urban Gardening in Köln, Berlin und Mailand“ lautet der Titel einer soeben erschienen DVD. Drei Filme hat der Infodienst Verbraucherdienst Landwirtschaft e.V. (aid) hierfür zusammengestellt, die das Phänomen des Urban Gardening von verschiedenen Seiten beleuchten: Die zwei Kurzfilme „Allmende-Kontor – Mehr als ein Garten“ von Lisa Glahn (my View) und Gesa Maschkowski (aid) in Kooperation mit dem Allmende-Kontor c/o workstation Ideenwerkstatt e.V. und „NeuLand – Garten findet Stadt“, ebenfalls von Lisa Glahn und Gesa Maschkowski in Zusammenarbeit mit dem Kölner NeuLand e. V.. Der dritte Film „Città del Cavolo. Gemeinschaftsgärten in Mailand und Berlin“ ist ein bilaterales Projekt (Progetto MiBe) der Mailänder Regisseure Paola Longo und Salvatore Laforgia, gemeinsam mit dem Kulturmanager Guido Larcher (Treviso) und der Berliner Journalistin Inge Pett. Der Film zieht den Vergleich zwischen den Gärten in Berlin und der lombardischen Metropole.

Transportable Kisten

In ihrem Film über den Allmende-Kontor verdeutlichen Glahn und Maschkowski, dass dieser, wie bereits der Filmtitel nahelegt, „mehr als ein Garten“ ist. Er wurde bereits 2011 auf dem ehemaligen Flughafengelände Berlin-Tempelhof gegründet – als Zwischenlösung – und umfasst eine Fläche von 5000 qm. Derzeit bewirtschaften mehrere hundert GärtnerInnen, viele von ihnen kommen aus dem benachbarten Neuköllner Schillerkiez, rund 300 Hochbeete in transportablen Kisten. Inzwischen hat der Garten internationale Popularität erlangt und ist zum Anziehungspunkt für neugierige Touristen aus aller Welt geworden.

Wie kann Gemeinschaft wachsen? Wie kann man die Ressourcen Boden, Wasser und Kisten am besten und zum Nutzen aller teilen und erhalten? Diese Fragen stellen sich auch die GärtnerInnen des Gemeinschaftsgartens NeuLand Köln, der 2011 auf einer Industriebrache in Köln-Bayenthal ins Leben gerufen wurde. Er zählt zu den flächenmäßig größten Gemeinschaftsgärten in Deutschland und steht Jedem zum Mitgärtnern offen. Entstanden ist ein „konsumfreier Ort der Erholung, des Experimentierens, der Bildung und des Miteinanders“. Ein Garten, in dem man die eigene Ernte wertschätzen lernen und die Langsamkeit wiederentdecken kann.

Partizipative Videos, © Gesa Maschkowski, aid
Partizipative Videos, ©
Gesa Maschkowski, aid

Um die Gärten in Köln und Berlin zu präsentieren, haben sich Lisa Glahn und Gesa Maschkoswski für die filmpädagogische Methode des „Participatory Video“ entschieden und sind damit einen neuen Weg der Ernährungskommunikation eingeschlagen. Das Besondere an dieser Methode ist, dass sich Akteure, Redakteure und Regisseure gemeinsam auf Entdeckungsreise begeben. Stets steht das Prozesshafte im Zentrum, das Ergebnis ist offen. Die GärtnerInnen sollen ihre Tätigkeiten aus eigener Sicht vermitteln und selber die Schwerpunkte setzen. Ein Moderator begleitet den Prozess: Von einem Workshop, in dem der Umgang mit der Kamera einstudiert wird, bis hin zum Erstellen des Drehbuchs, dem Drehen und dem Schnitt. Und im steten Dialog zwischen den Regisseuren und den Akteuren.

„Wer gut zu einer Pflanze ist, ist auch gut zu sich selbst“

Der Giardino degli Aromi schließlich bildet den Ausgangspunkt des italienisch-deutschen Mibe-Projektes Città del Cavolo. Gemeinschaftsgärten in Mailand und Berlin“ aus dem Jahr 2015. Im Norden Mailands gelegen, zieht er gleichermaßen Familien, Schulklassen sowie Rentner an – und dient Patienten der psychiatrischen Zentren aus der Region als Ort der Genesung. Mailands größter Gemeinschaftsgarten entstand in dem 150.000 qm großen Park des Psychiatrischen Krankenhauses Paolo Pini. Überall wird hier gemeinsam gesät, gegossen, geerntet, gelacht. Ein Platz für Lebenskultur.

Gärtnern wird im Giardino degli Aromi als Therapie eingesetzt. „Wer gut ist zu einer Pflanze, ist auch gut zu sich selbst“, erklärt die Initiatorin Aurora Betti. Weitere Stationen des Films in Italien sind die Isola Pepe Verde, eine „grüne Insel“ inmitten der Wolkenkratzer von Mailand, und der städtische Garten Cascina Albana, der von einem Kollektiv bewirtschaftet wird. In Berlin hat das Team ebenfalls den Allmende-Kontor besucht, darüber hinaus den Prinzessinnengarten, den Bürgergarten Moabit sowie den Interkulturellen Garten Rosenduft, wo Frauen aus dem ehemaligen Jugoslawien durch Gärtnern therapiert werden.

foto 1 Rosenduftgarten bitmap-001Der 76-min. Film ist zweisprachig, die italienischen Interviews sind mit deutschen Untertiteln unterlegt. Neben den Initiatoren der Gartenprojekte wie etwa Marco Clausen von den Prinzessinnengärten, kommen Soziologen, Psychologen, Architekten und Politiker zu Wort: von Hans Panhoff, Stadtrat für Planen, Bauen und Umwelt in Friedrichshain-Kreuzberg, über den in Mailand lebenden deutschen Gartenarchitekten Andreas Kipar bis hin zu Stefano Boeri, dem Architekten der international berühmten Bosco Verticale-Turmhäuser in Mailand.

„Essbare Stadt: Urban Gardening in Köln, Berlin und Mailand“ stellt insgesamt acht Gemeinschaftsgärten diesseits und jenseits der Alpen vor. Sie alle zeigen, wie gut das gemeinsame Gärtnern nach der Devise „Do it yourself – do it together“ den Großstädtern tut –  sowohl dem Körper als auch der Seele.

„Essbare Stadt: Urban Gardening in Köln, Berlin und Mailand“
Informationen zu aid

 

 

 

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