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Populismus und Politik. Herausforderungen der Demokratie

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„Populismus“ ist ein politisches Phänomen, das mit der Geschichte der Demokratie eng verknüpft ist. Von der offiziellen Politik und zum Teil auch von der politischen Philosophie wird das Wort gegenwärtig als Kampfbegriff gebraucht, mit dem die „Populisten“ als illegitime Nutznießer des Volkszorns und politikunfähige Moralisten und Opportunisten disqualifiziert werden. Gleichwohl ist der „Populismus“ angesichts von wirtschaftlichen Dauerkrisen, wachsender sozialer Ungleichheit und verworrenen globalen Konfliktlagen in Europa und in anderen Weltregionen wie Lateinamerika politisch sehr erfolgreich. Die alteingesessenen Parteien und das Regierungshandeln der „ruhigen Hand“ sehen sich mit Forderungen konfrontiert, die im Sinne einer funktionsfähigen Demokratie  durchaus legitim  sind. Der Begriff „Populismus“ aus dem  angloamerikanischen Sprachgebrauch, ist dort bis heute positiv besetzt: im Sinne einer gemeinschaftlichen Selbstorganisation gegen jede Art der politischen Privilegierung und des kapitalistischen Profitstrebens. Massendemokratien stehen seit jeher vor dem Dilemma, dass das Volk seine Souveränität nur in periodischen Wahlakten ausübt und das Tagesgeschäft sonst an Abgeordnete delegiert. Das bringt Regierende und Regierte in ein zwiespältiges Verhältnis und sorgt dafür, dass das „Politische“ als Quellgrund von Selbsterfahrungen und kollektiven Selbstbildern – dem „Anteil der Anteilslosen“ wie Jacques Rancière gesagt hat – von der Politik nie gänzlich monopolisiert werden kann. Populistischen Bewegungen ist, bei aller Heterogenität, gemeinsam, dass sie Fragen des Politischen aufwerfen – als Begehren auf Teilhabe oder als Forderung nach Abgrenzung –, die von der offiziellen Politik kaum gestellt werden. Während Berufspolitiker ihre Glaubwürdigkeit oft dadurch untermauern, dass sie in der Lage seien, auch „unpopuläre“ Entscheidungen durchzufechten, agieren „Populisten“, die  kein anderes Mandat haben, vor allem mit populärer Rhetorik. Das macht sie anfällig für das Abschöpfen von Ressentiments, die nicht nur am Rande der Gesellschaft, sondern auch in ihrer Mitte aufkommen: das Potential extremistischer Organisationen. Lebensfähige Demokratien beweisen sich auch dadurch, dass sie hierauf nicht nur mit Abwehrreflexen reagieren. In den Mosse-Lectures soll das Verhältnis von Demokratie und Demagogie, von Populismus und Extremismus zur Sprache kommen: Kritiken und Projekte, die politisch begründet für eine erlebnisfähige und populäre Demokratie sprechen.

Daten und Referent*innen
27. Oktober 2016
: Slavoj Žižek (Ljubljana) mit Joseph Vogl (HU), »Rage, Rebellion, New Power«
3. November 2016: Jan-Werner Müller (Princeton) mit Jens Bisky (SZ), »Populismus. Gefahr für die Demokratie«
24. November 2016: Eva Illouz (Jerusalem) mit Christina von Braun (HU), »What are the Emotions of Fundamentalism?«
8. Dezember 2016: Yannis Stravrakakis (Thessaloniki) mit Ethel Matala de Mazza (HU), »The Populist Scandal. Post-Democratic Challenges«
12. Januar 2017: Kathrin Passig (Berlin) mit Lothar Müller (SZ), »Selbstgemachte Staaten: Politisches Handeln in Onlinecommunities«

Der Eintritt ist frei. Weitere Informationen Mosse Lectures