„Auch das Bauhaus war einmal eine innovative Schule, bevor es zum Museum wurde“, erinnert Angelika Tischer, Leiterin der Arbeitsstelle Kulturelle Bildung bei der Berliner Senatsverwaltung für Bildung. Heute macht das Bauhaus wieder Schule: Acht Mittler – Agenten genannt – werden in den kommenden vier Jahren ausgewählte Schulen an den Bauhaus-Standorten Berlin, Dessau und Weimar besuchen und mit diesen Projekte verwirklichen – quer durch die Altersgruppen, Schulformen und sozialen Milieus.Am 15. November stellten sich die Initiatoren ihr Programm ‚Bauhaus Agenten‘ in Berlin der Presse vor: die Kulturstiftung des Bundes, das Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung in Berlin, die Klassik Stiftung Weimar mit dem Bauhaus-Museum Weimar sowie die Stiftung Bauhaus Dessau.
Partizipation und offenes Ergebnis
Doch wie kann man heutzutage Schüler für das Bauhaus interessieren? Mit welchen adäquaten Medien und Formaten sie erreichen? Wie kann man die Kinder und Jugendlichen dazu bringen, zu sagen „Das ist unser Ort“? Und besser noch: Sie dazu bringen, dass sie ihre Familien und Freunde teilhaben lassen an einer Neuentdeckung, die ihr Leben bereichert?
Einen vorgefertigten Plan dafür gibt es nicht. Stattdessen setzen die Initiatoren auf konsequente Partizipation: Ergebnis offen. „Es ist ein experimenteller Verhandlungsprozess“ betont Silke Feldhoff, Koordinatorin des Bauhaus Agenten Programms. „Wir haben keine Vorgabe, Ziel ist es lediglich, eine Öffnung für die Bauhaus-Gedanken zu erreichen und diese in unsere Zeit zu übertragen – gemeinsam“.
Dabei würden die Schüler als Multiplikatoren ernstgenommen und als gleichberechtigte Partner angesehen. „Auch wenn das sicher auch schon mal bedeutet, von den eigenen Ideen und Erwartungen abzurücken“. Die Kooperation ginge sogar so weit, dass die Ergebnisse der Feldforschung in die Konzeptionen der drei Bauhaus-Neubauten in Berlin, Dessau und Weimar einfließen werden.
Parallelen zu 1931
Sieben Agentinnen und ein männlicher Kollege vermitteln nun zwischen den Institutionen Schule und Museum. Die Bandbreite ihrer Berufserfahrungen reicht vom Schauspiel über die Architektur bis zur Kunst – interdisziplinär wie das Bauhaus selber. Silke Feldhoff sieht diese Vielfalt als wertvolles Gut. „Die Agenten verstehen die Regeln beider Seiten, bringen deren Gedankenwelten zusammen.“
Mit einer gewissen Sorge erkennt Angelika Tischer Parallelen zum Jahr 1930, als das Bauhaus in Dessau geschlossen worden war. Auch heute schlagen – national und international – demokratisch gewählte Kräfte bedenkliche Wege ein.
„Es war damals leicht, das Bauhaus abzustoßen“, so Tischer, denn die Institution sei in Sachsen-Anhalt immer ein Fremdkörper geblieben. Nachdem die NSDAP 1931 die Gemeindewahl in Dessau gewonnen hatte, setzte diese die Schließung des staatlichen Bauhauses durch. In Berlin wiederum gaben die Bauhäusler zwei Jahre später aus eigenen Stücken auf, gingen doch die Forderungen der Nationalsozialisten gegen alle ihre demokratischen Prinzipien. Repressalien wie Hausdurchsuchungen, Versiegelung der Räume und die Verhaftung von Studenten taten das übrige.
Trotz der Parallele der gefährlicher Volksbewegungen gibt Tischer sich vor allem optimistisch: „Gerade angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen in Deutschland und weltweit ist es wichtiger denn je, die Mehrheiten zu erreichen“. Dabei solle kein elitärer Avantgarde-Nimbus die Kinder und jungen Leute einschüchtern oder gar abschrecken. Und da kämen die Agenten ins Spiel: „Sie sollen die Schüler abholen, mitnehmen, ihnen Erfahrungen ermöglichen“.
Ergebnisse werden in Konzepte der Neubauten einfließen
Annemarie Jaeggi, Direktorin Bauhaus-Archiv/ Museum für Gestaltung in Berlin freut sich vor allem darüber, dass die Vermittlungsarbeit ihres Hauses nun vier Jahre auf noch höherem Niveau fortgesetzt werden könne. Auch sie betont: „Die Ideen der Schüler und Lehrer sollen Eingang finden in unser neues Haus“.
In Berlin sind es die Agentinnen Anja Edelmann und Friederike Holländer, die den Prozess begleiten werden. Über dreißig Schulen aller Altersgruppen und Schulformen hätten sich alleine hier für das Projekt beworben, so Jaeggi: „Überwiegend waren die Bewerbungen sehr engagiert“. Ausgewählt wurden schließlich das Archenhold-Gymnasium, die Bertolt-Brecht-Oberschule, die Carl-Kraemer-Schule, die Ernst-Litfaß-Schule, die Nelson-Mandela-Schule, das Otto-Nagel-Gymnasium, die Paula-Fürst-Schule und die Walter-Gropius-Schule.
Friederike Zobel, wissenschaftliche Mitarbeiterin von Bauhaus 2019, Kulturstiftung des Bundes, hofft auf eine bundesweit sichtbare Vorreiterrolle des „großangelegten Experimentes“ auch für andere Museen und Institutionen. In dem Mittler-Modell sieht sie ein Modell der Zukunft: „Schließlich sind die Kinder die Besucher von morgen“.