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KSWE16 – Kultursymposium Weimar 2016: Temperamentvoller Auftakt

Kultur Symposium Weimar 2016, Goethe Institut. Eröffnung
Foto ©Cordula Flegel

Am 1. Juni um 15 Uhr war es endlich soweit: Das Kultursymposium des Goethe-Instituts unter der Überschrift „Teilen und Tauschen“ wurde in Weimar eröffnet. Ein hochaktuelles wie brisantes Thema. Die Vorfreude auf das reichhaltige Programm der kommenden Tage war dem Präsidenten des Goethe-Instituts Klaus-Dieter Lehmann in seiner Eröffnungsrede anzumerken.

Praesident Klaus-Dieter Lehmann bei der Eroeffnung des Kultursymposiums Weimar
Praesident Klaus-Dieter Lehmann bei der Eroeffnung des Kultursymposiums Weimar

„Was treibt eine Institution wie das Goethe-Institut für dieses Thema an?“ Klaus-Dieter Lehmann verwies mit dieser einleitenden Frage auf die mannigfachen Aspekte des „Teilens und Tauschens“, nicht nur in Kultur und Gesellschaft, sondern insbesondere auch in Wirtschaft und Politik sowie deren Wechselwirkungen. In Zeiten eines umfassenden Funktionalismus, in dem sich alles einer gewinnbringenden Orientierung unterordne, gerieten die Prinzipien einer Solidargemeinschaft in Gefahr. Aktuell formierten sich unter anderem durch die vielen Flüchtlingskrisen neue Verbundenheiten, für deren positives Fortwirken müsse aber die Ablösung der Willkommenskultur durch reale Teilhabe erfolgen. Menschliches Leben sei eine Ansammlung kultureller Leistungen, eine Annäherung an andere Formen des Zusammenlebens könnte ein weiterer Schritt dieser Kulturleistung sein. Doch leitet der derzeitige Hype des Teilens tatsächlich ein Umdenken ein oder ist er nur eine Modeerscheinung? Ist der Homo oeconomicus dabei abzudanken? Lehmann verwies auf die Anthropologie des Teilens und Tauschens als Phänomene kulturellen und sozialen Verhaltens, aus dem letztendlich die Ökonomie erwuchs. Entsprechend kann Ökonomie anthropologisch oder auch kulturell betrachtet werden – Wirtschaft als ein System kultureller Handlung. Der Grundsatz des Goethe-Instituts „Wir sollten soviel nehmen wie wir bereit sind zu geben“ behält auch bei dieser Betrachtung seinen mahnenden Charakter.

Sedlacek_Foto_Cordula_Flegel KopieDer tschechische Ökonom Tomaš Sedláček betonte in der ihm zugeteilten Rolle als Keynote-Speaker provozierend die vielen Bereiche, in denen wir ohne monetären Austausch agieren. So funktioniere die älteste Form einer Institution, nämlich die Familie, ohne Rechnungsstellung. Aber auch unter Freunden oder in einer Firma unter Kollegen gäbe es keinen Geldverkehr. Geld sei vulgär und bleibe deshalb zumeist in diesen privaten Sphären außen vor – zumindest in der westlichen Welt. Geschenkgutscheine hätten Konjunktur und lösten schon länger den sonst dezent in Blumen oder Konfekt versteckten Briefumschlag mit Geld ab. Dennoch finde die größte Geldtransaktion doch innerhalb der Familie statt und zwar mit der Erbschaft. Ein von Generation zu Generation einseitig geschlossener Vertrag.

Weimar_Eroeffnung_0998_Foto_Cordula_FlegelDie Soziologin Eva Illouz entgegnete in der anschließenden Diskussion, dass in Familien Frauen von Männern immer bezahlt wurden, wenn auch indirekt. Mit den Forderungen der Frauen, für Hausarbeit oder Versorgung der Kinder entlohnt zu werden, setzte ein neues Verständnis von sozialen und familiären Beziehungen ein. Eva Illouz erläuterte zuvor einen brisanten Aspekt: Das Teilen in Gruppen. Gruppen seien trotz ihrer gemeinschaftlichen Ausrichtung egoistisch, denn sie grenzten andere außerhalb dieser Gruppe aus. Teilen sei eine emotionale Erfahrung, die sich im Erleben mit der Gruppe noch potenziere, sprich die Gruppendynamik stärkt. Die eigentlich Bedrohung dabei sei, dass der Verlust des Individuums in einer Gruppe einhergehe mit der Aufgabe seines Gewissens. Wie kann  also ein offenes Teilen, ein Teilen ohne die immanenten Grenzen einer „Peer Group“ gelingen?

Zusammen mit dem Ethnologen Hans P. Hahn, der sich mit der materiellen Kultur und dem Konsum sowie der Mobilität von Menschen und Gütern beschäftigt, deutete die Eröffnungsdiskussion bereits die immense Bandbreite an Themen für die folgenden Tage an. Zum ersten Kultursymposium Teilen und Tauchen waren 300 Teilnehmer aus 45 Ländern geladen. Vorträge, Diskussionen und World-Cafés, d.h. moderierte Gesprächsrunden in kleinen Gruppen, wurden durch Spiele, Performance, künstlerische Interventionen, Stadtspaziergänge sowie eine Ausstellung bereichert und machten so das Thema „Teilen und Tauschen“ mit allen Sinnen erfahrbar.  Höhepunkte des Programms waren die Deutschlandpremiere der deutsch-koreanischen Koproduktion „Being Faust – Enter Mephisto”, in dem Werte und Ideale in Form eines Spiels zum Tausch angeboten werden, sowie eine Kunstaktion zum „Kula-Ring”.

Anregung und Austausch gab es also viel. YEAST – Art of Sharing berichtet sukzessive über einzelne Veranstaltungen des Kultursymposiums Weimar 2016 unter dem Label KSWE16.

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Das erste Kultursymposiums Weimar 2016 fand vom 1. bis 3. Juni 2016 statt. Es ist eine zweijährlich stattfindende Veranstaltungsreihe des Goethe-Instituts, in der globale Gesellschaftsfragen mit Expertinnen, Intellektuellen und Künstler aus dem Netzwerk der Goethe-Institute weltweit diskutiert werden. Im Vorfeld des Kultursymposiums Weimar fanden seit November 2015 Veranstaltungen an elf Goethe-Instituten im Ausland statt, die sich dem Thema „Teilen und Tauschen“ widmen. Kulturelle Traditionen, lokale Initiativen, künstlerische Adaptionen und wissenschaftliche Zugänge bereichern das Kultursymposium Weimar um neue Impulse und Stimmen.

Weitere Informationen gibt es direkt beim Goethe-Institut

Tags : EröffnungEva IllouzGoethe-InstitutHans P. HahnKlaus-Dieter LehmannKultursymposium 2016 Weimar Teilen und TauschenTomaš Sedláček